Hybrid-Antrieb: mit LNG und Batterie ins ewige Eis
Ein moderner Hybrid-Antrieb und ausgefeilte HEROSE-Ventiltechnik bringen das Kreuzfahrtschiff Le Commandant Charcot an spektakuläre Orte und sorgen für hohe Umweltverträglichkeit.
Fast geräuschlos schiebt sich das Schiff an einigen kleinen Eisbergen vorbei. Durch das viele Eis ist das Wasser ruhig und die Stille der geräuscharmen Gegend im Grönland-Nationalpark eindrucksvoll. Diese Stille ist man auf See nicht gewohnt – normalerweise begleitet das Brummen der Motoren jede Schiffsreise – dieses Kreuzfahrtschiff kann dank Hybrid-Antrieb eine Zeit lang vollständig elektrisch fahren.
Modernste Antriebstechnik
Im Rumpf der Le Commandant Charcot arbeiten sechs Dual-Fuel-Motoren der neuesten Generation. Die Motoren sind speziell für LNG optimiert und bieten eine Effizienzsteigerung von 13 Prozent im Gasmodus und eine Verbesserung im Vergleich zu vorigen Modellen um 5 Prozent. Die vier 14-Zylinder- und zwei 10-Zylinder-Motoren lieferte der finnische Schifffahrtsspezialist Wärtsilä. Die Motoren produzieren die Energie für die zwei elektrischen Azipod-Antriebsmotoren und den Hotelbetrieb. Die Azipod-Antriebe sind um 360° drehbar und ersetzen die Schiffsruder.
HEROSE-Ventile sorgen für die sichere Entnahme von LNG auf Schiffen
Besonders für die ersten Ventile, die sich auf der Entnahmeleitung nach dem LNG-Tank an Bord eines Schiffes befinden, gelten erhöhte Anforderungen. Die Absicherung dieser Leitungen wird oftmals durch eine doppelwandige Ausführung gewährleistet. Hier wird um die eigentliche Leitung, durch die das LNG fließt, ein zusätzlicher Mantel installiert. Mit dessen Hilfe können dann mögliche Leckagen entdeckt werden. Um diesen Mantel mit dem HEROSE-Ventilgehäuse zu verbinden und auch den Anforderungen der Klassifikationsgesellschaften an Schweißnähte zu erfüllen, hat HEROSE eine neuartige Anschlussvariante für diese speziellen Anforderungen entwickelt. Dieser Anschluss ist für die HEROSE-Absperrarmaturen verfügbar und wird bereits erfolgreich auf Schiffen eingesetzt.
Zwei LNG-Membrantanks
Neben den Motoren lieferte Wärtsilä auch das Brenngasversorgungssystem, in dem die Spezialventile von HEROSE zum Einsatz kommen. Die Le Commandant Charcort ist das einzige Schiff weltweit, das dank zweier Tanks eine Kapazität von 4 500 m³ LNG erreicht, sodass alle Fahrten mit LNG durchgeführt werden könnten. Der französische Spezialist Gaztransport & Technigas GTT hat die LNG-Tanks entwickelt.
Die Autonomie ist für das kompakte Schiff wichtig. Daher wurden Tanks gewählt, die den Raum gut ausnutzen: Es sind Membrantanks, die gut an die Rumpfform und an das Design des Schiffes angepasst werden können und teilweise unter der Wasserlinie am Heck des Schiffes platziert wurden. Die Kompaktheit des Membransystems gibt dem Schiff eine Energie-Autonomie von bis zu eineinhalb Monaten – je nach Fahrtbedingungen. Das Schiff bunkert das LNG in den Häfen. Eine erste LNG-Bunkerung wurde in Le Havre in Frankreich durchgeführt, zukünftig soll dies auch in Reykjavik auf Island und, sobald die Infrastruktur dies erlaubt, auch in Ushuaia in Argentinien erfolgen.
Sicherheit steht an erster Stelle
Ein Membrantank ermöglicht die drucklose Lagerung von LNG bei -160 °C. Die Klassifikationsgesellschaft und der Auftraggeber forderten zusätzlich eine Optimierung der Konstruktion des Tanks auf einen Druckanstieg auf bis zu 2 bar. Dies ist auch notwendig, um dem neuen IGF-Code zu genügen und die mögliche Umweltbelastung zu reduzieren. Außerdem bietet sie mehr betriebliche Flexibilität, besonders beim Bunkern von LNG, denn dadurch ist es möglich, LNG bei höheren Temperaturen zu laden.
„Wer die Ozeane bereist, dem sollte der Schutz der Umwelt am Herzen liegen.“
Mathieu Petiteau, Director Newbuilding Ponant
Intelligentes Tank-Design
Es wurden spezifische Flüssigkeitsbewegungsstudien durchgeführt, um die extremen Polarbedingungen zu simulieren, denen die Le Commandant Charcot ausgesetzt ist. Die Bewegung des LNG in den Tanks und seine Auswirkungen auf die strukturellen Wände und ihr Isolationssystem sowie die internen Rohre wurden mithilfe von Hexapoden simuliert, die die Bewegungen des Schiffs reproduzieren und Einblicke in das Verhalten der Flüssigkeit unter realen Bedingungen gewähren. Die Membran ist so konstruiert, dass Dehnungen und Kontraktionen kompensiert werden, um zu verhindern, dass sie übermäßigen Belastungen ausgesetzt wird.
Hybrid-Antrieb mit Vorteilen
Die Entscheidung der Reederei, LNG zu verwenden, kommt nicht von ungefähr: Der Schutz der Umwelt ist ein zentrales Anliegen für die Reederei. Daher sollte das Schiff über die neueste Technik verfügen. Die Le Commandant Charcot erfüllt nicht nur die neuesten Umweltanforderungen der International Maritime Organization (IMO), sondern übertrifft sogar die aktuellen gesetzlichen Grenzwerte. LNG senkt die Schwefeloxidemissionen im Vergleich zu Schweröl um nahezu 100 Prozent und reduziert die Feinstaubemissionen um mehr als 95 Prozent. Durch die Verwendung von LNG kann das Schiff künftige regulatorische Standards in Bezug auf Stickoxide einhalten und diese Emissionen um 85 Prozent reduzieren. Schließlich reduziert der LNG-Antrieb die Kohlenstoffemissionen im Vergleich zu Heizöl um bis zu 20 Prozent.
Die Entstehung der Le Commandant Charcot
Für den Bau arbeitete Ponant mit zahlreichen Partnern zusammen: Das finnische Unternehmen Aker Arctic entwarf das innovative Rumpfdesign, das Ingenieurbüro GTT Gaztransport & Technigaz aus Frankreich plante den LNG-Tank, die Spezialventile für die tiefkalte Tankumgebung lieferte HEROSE, die Batteriesysteme und Azipod-Antriebe stammen von ABB und gebaut wurde das Schiff von der norwegischen Werft Vard.
Leistungsfähige und langlebige Batterien
Eine weitere wichtige Innovation an Bord der Le Commandant Charcot ist ein 4,5-Megawattstunden-Energiespeichersystem: Die 50 Tonnen schweren Li-Ion-Batterien haben eine Lebensdauer von 10 Jahren und ein festgelegtes Recyclingprogramm am Ende ihrer Lebenszeit. Sie verbessern die Effizienz der Dual-Fuel-Motoren, die unter Optimallast betrieben werden, und sie ermöglichen, im Eismodus Energie zurückzugewinnen. Das Schiff kann bis zu zwei Stunden im emissionsfreien Elektromodus fahren, bei reduzierter Unterwasserlärmemission. Währenddessen wird Boil-Off-Gas in Strom umgewandelt und so die Energiespeicherung maximiert.
Modernste Elektro-Antriebe
Die verbauten Batterien für den Hybrid-Antrieb entsprechen zwei zusätzlichen Generatoren mit 2,2 Megawatt. Die Batterien werden von den Dual-Fuel-Motoren geladen, die Ladedauer ist abhängig von der Entladetiefe, die volle Ladung von 4,5 Megawatt kann innerhalb von 20 Minuten erreicht werden. Die zwei ABB Azipod-Systeme sind elektrische Antriebsmotoren mit einer Gesamtleistung von 34 Megawatt. Die Azipod-Motoren befinden sich in einer Gondel außerhalb des Schiffsrumpfes. Jede Gondel kann sich um 360° drehen, was die Manövrierfähigkeit und die Betriebseffizienz des Schiffes deutlich erhöht und den Treibstoffverbrauch um bis zu 20 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Wellenleitungssystemen senkt.
Die Reederei Ponant wurde 1988 gegründet und ist heute die größte Kreuzfahrtgesellschaft in Frankreich. Es befahren rund ein Dutzend luxuriöse kleinere Schiffe und eine Segelyacht die Weltmeere. Die Flotte ist sehr modern und die Le Commandant Charcot startete erst im Oktober 2021 in ihre Premierensaison.
Der Namensgeber des Schiffes, Jean-Baptiste Charcot, schlug 1905 ein neues Kapitel der Expeditionsgeschichte auf und begann verantwortungsvolle Erkundungsreisen an abgelegene Orte in Begleitung von Experten und Wissenschaftlern.
Foto oben: Studio PONANT – Olivier Blaud